1000-km-Rennen Nürburgring 1974

Die Bezeichnung des Rennens erwies sich als Mogelpackung. Tatsächlich ging das Rennen nur über 753,555 km. Dies war eine Nachwirkung der sogenannten Ölkrise. Während andere Veranstalter schon lange wieder über die übliche Distanz rennen liessen, kürzte man am Ring das Rennen um 25%.

Aber der Motorsport-Fan hatte Glück im Unglück. Der Veranstalter wollte zudem das Rennen in zwei Läufe splitten. Die FiA war dagegen, da der Langstreckencharakter ansonsten verloren ginge. [Wie öde gesplittete 1000 km - Rennen sein können demonstrierte der Veranstalter dann “erfolgreich” beim 88er 1000-km-Rennen.]

 

 

 

Bilder links: Für 2 DM bekam man 1974 das Programmheft des Rennens. 12 DM kostete der Eintritt an der Strecke. 

Nebenbei: Das 74er 1000-km-Rennen war mein erstes Rennen vor Ort. Endlich war ich 18, hatte einen Führerschein und konnte Rennen besuchen. Kurz vorher hatte ich die Nordschleife erstmals befahren - im geliehenen Firmenwagen. [Zwei Bemerkungen zu dem Foto: Im Hintergrund wischt gerade ein Renault 5 aus dem Renault-5-Pokal vorbei. Die Jungs nutzten jede Möglichkeit zum Trainieren. Und: Bitte nicht während einer Touristen-Runde auf der Nordschleife anhalten, das ist sehr gefährlich!]

In den ersten beiden Runden wurde mir beinahe der Adenauer Forst zum Verhängnis. Damals gab es halt noch keine Onboard-Aufnahmen und Simulationen, mit denen man den Streckenverlauf lernen konnte. Man lernte halt auf die harte Tour.

Überhaupt waren Weicheier damals eher selten. Dazu Larousse, auf die damals noch frischen Umbauten der Nordschleife angesprochen: “Man fährt wie auf der Autobahn.”

Die Teilnehmer

Viele große Namen waren in damaligen MWM-Rennen nichts besonderes. So auch 1974. Einige Beispiele:

Marken:

  • Matra-Simca (Werk)
  • Alfa-Romeo (Werk)
  • Porsche (Werk)
  • Gulf Mirage (Gulf-Racing)
  • Ford (Werk)
  • BMW (Werk)

Fahrer:

  • Rolf Stommelen (Alfa Romeo)
  • Jochen Mass (Ford)
  • James Hunt (Gulf-Ford)
  • Hans J. Stuck (BMW)
  • Carlos Reutemann (Alfa Romeo)
  • Bob Wollek (Porsche)
  • John Watson (Chevron)
  • Jean-Pierre Jarier (Matra)
  • Mike Hailwood (Gulf-Ford)
  • Andrea de Adamich  (Alfa Romeo)
  • Brian Redman (Alfa Romeo)
  • Patrick Depailler (Alpine Renault)

Die unbestrittenen Stars der Serie waren die Matra-Simca. Hatten die Matra keine technischen Probleme, waren die in der MWM nicht zu schlagen. Ab und an konnte Alfa die Matra ärgern, aber eher selten. Porsche brachte 1974 seinen Versuchsträger für die neue Gruppe 5, den Carrera RSR Turbo an den Start. Für den Ring taugte der Wagen, der ab 1976 als 935 alles in Grund und Boden fahren sollte, wegen des Ansprechverhaltens des Laders und der Hecklastigkeit des Wagens aber eher nicht. Die Fahrer des Carrera RSR Turbo hatten es auf der Nordschleife nicht leicht.

Training

Die Piloten des Carrera RSR Turbo hatten es besonders schwer. Gijs van Lennep beklagte ein hüpfendes Auto. Prompt hüpfte der RSR bei einem Überholversuch über die Kerbs in die Planken, was die Mechaniker zu ausgiebiger Nachtarbeit zwang.

Nicht viel besser erging es der Alfa-Crew. Innerhalb von einer Runde verendeten die Triebwerke zweier Alfas. Ein dritter Alfa schaffte zumindest 1 1/2 Runden, bevor auch an diesem Wagen ein Motorschaden anlag. Bei Alfa sah man es locker, es war sowieso vorgesehen die Triebwerke vor dem Rennen zu wechseln. Alfa war zudem bereits seit einigen Tagen in der Eifel und testete. Porsche sicherte sich diesen Vorteil nicht, obwohl man es nötig gehabt hätte.

Auch die beiden Gulf Mirage waren schwer zu bändigen. “Das Biest will überall geradeausfahren” schimpfte Derek Bell. Vern Schuppan, der seine ersten Erfahrungen mit der Nordschleife machte, beklagte eine zu lange Übersetzung. Hailwoods Kommentar zur Strassenlage des Gulf Mirage bestand aus einem englischen Wort mit vier Buchstaben. James Hunt hatte mit seinem Gulf Mirage einen Unfall am Flugplatz, als ihm -nach eigener Aussage- ein Reifen platzte.

Die schnellsten Wagen erreichten auf der Döttinger Höhe knapp 300 km/h. Genauer: Merzario/Redmann kamen auf 298 km/h, vor ihren Teamkollegen Stommelen/Reutemann mit 297,5 km/h. Der Porsche Carrera RSR Turbo von Schurti/Koinigg brachte es nur auf 265,3 km/h und war damit sogar etwas langsamer als der Capri von Mass/Lauda.

Reinhold Jöst brachte seinen alten Porsche 908/03 in die Eifel. Seine Zeit von 8:02,0 min. reichte für den 15 Startplatz und war beachtlich.

Die Pole war Sache der Matra. Pescarolo fuhr 7:10,8 min, und war damit nur gut 3 Sekunden langsamer als die F1-Pole des Vorjahres.

Rennen

Runde 1: Der führende Matra-Simca ist bereits vorbei

Müller vor einem 2-Liter, Jöst, Mass und Stuck

Das Rennen gestaltete sich für die beiden Matra ähnlich deutlich wie das Training. Jarier dominierte die Anfangsphase des Rennens und nahm seinem Teamkollegen Pescarolo in vier Runden 11 Sekunden ab. Dahinter bildeten sich einige Kampfgruppen.

Jochen Mass und Hans J. Stuck lieferten sich eine kurze, aber sehenswerte Schlacht. Dabei fuhr Stuck die Anfahrt Wehrseifen teilweise auf zwei Räder. Die Räder der rechten Wagenseite hatten keinen Bodenkontakt, kurzes, minimales Gegenlenken, und der Wagen klappte wieder auf alle vier Räder. Einige Meter weiter das selbe Spiel. Mehrfach pro Anfahrt, hintereinander. Ein Schauspiel, das ich bis  heute nicht vergessen habe. Dazu Yörn Pugmeister: ”Man fragte sich im Pflanzgarten, ob Stuck rutschte, fuhr, oder Bocksprünge machte mit seinem Auto .” Ein Getriebeschaden am CSL-Coupe von Stuck beendete das Duell dann in der vierten Runde. Aber auch der Capri kam nicht weit. Mass übergab an Lauda, der musste dann direkt die Segel streichen - Rad verloren.

Einen Zweikampf der besonderen Art erlebte Rolf Stommelen. Er wurde hart attackiert - von seinem Teamkollegen Merzario! Merzario schien den Stommelen-Alfa mit einem Matra zu verwechseln. Irgenwann wurde es Rolf zu bunt. Er glaubte nicht, dass Merzario mit dieser Fahrweise weit kommen würde und liess diesen überholen - um nicht Opfer einer Merzario-Attacke zu werden. Eine richtige Entscheidung. Merzario/Redmann fielen später mit Getriebeproblemen zurück. Stommelen/Reutemann belegten hinter dem überlegenem Matra Platz 2.

 
Merzario attackiert Rolf Stommelen

Ein weiteres schönes Duell lieferte sich Reinhold Jöst im betagten Porsche 908/03 mit dem Werks-Porsche von Schurti/Koinigg. Der Werks-Porsche hatte mehr PS, aber ein schlechtes Ansprechverhalten und war hecklastig. Der Porsche 908 hingegen, für Strecken wie dem Nürburgring und der Targa Florio gebaut, war leicht, hatte einen kurzen Radstand und lag ausgezeichnet.

Jöst hetzt den Werks-Porsche Carrera RSR Turbo von Schurti/Koinigg vor sich her

Schurti kollidierte später mit einem Carrera RSR und zerstörte dabei den rechten vorderen Kotflügel. Nach Rücksprache mit dem Rennleiter durfte der Turbo ohne den Kotflügel, also als “25% - Formel 1”, weiterfahren.

Der andere Werks-Porsche verlor Zeit an der Box, weil er nach einem Boxenstopp nur träge Gas annahm. Man vermutete Blasenbildung in der Benzinleitung. “Herbert hat die Zündung nicht bei Vollgasstellung abgeschaltet wie wir das machen sollen.” meinte van Lennep.

Redman schmiss derweil seinen Gulf GR7 in die Planken. Dazu Brian: “In der zweiten Linkskurve hatte ich plötzlich keine Bremse mehr, was zu einer Meinungsverschiedenheit mit der Leitplanke führte.”

Der Gulf GR7 von Bell/Hailwood

Jöst mit seinem Porsche 908/03 im Bereich Wehrseifen

Kurz vor der Halbzeit, des über 33 Runden gehenden Rennens, erwischte es den Trainingsschnellsten. Probleme mit der Benzinpumpe erforderten einen längeren Boxenstopp. Danach hörte sich der Matra-Motor rauher als vorher an - schnell war der Wagen trotzdem noch.

Den Gulf-Mirage von Schuppan plagten derweil andere Probleme: Die Lenksäule lockerte sich. Man bekämpfte das Problem mit Isolierband. Schuppan fuhr damit weiter und belegte -zusammen mit James Hunt.- den vierten Platz. Wie gesagt: Weicheier gab es damals nicht.

Ex-Mühle 1974

Schnellste Runde: Jarier: 7:15.9 min -> 188,589 km/h